Das Vorwerk (links der Oder – unser heutiges Ortsteil AURITH)
Das Vorwerk hat es wahrscheinlich seit der Besitznahme von Teilen Auriths 1429 schon gegeben. Es befand sich links der Oder und ist seit 1550 auch urkundlich belegt. Wie es damals hieß, wurde anfangs fast ausschließlich Viehwirtschaft betrieben, was angesichts der umliegenden großen Grünlandflächen auch nicht verwundert. Dies war auch noch um 1750 so. Die Bezeichnung Vorwerk ist nicht zutreffend. Gewöhnlich handelt es sich bei einer derartigen Einrichtung um einen Betriebsteil eines Gutes, der aus wirtschaftlichen Gründen direkt oder zumindest in die unmittelbare Nähe der zu bewirtschaftenden Flächen angelegt wurde. In Aurith selbst existierte aber nie ein Gut. im engeren Sinne. Möglicherweise hat für den in Frage stehenden Betrieb die vom Ort abseitige Lage links der Oder zu dem Begriff ,,Vorwerk ” geführt.
Das Vorwerk Aurith, zu dem auch ein kleines Schloss gehörte, wurde über Jahrhunderte vom Kloster selbst verwaltet. Es diente nicht nur dem landwirtschaftlichen Erwerb, sondern, wie weiter vorn schon zu erfahren war, auch als eine Art Erholungssitz für die Neuzeller Mönche. Für die Zeit von 1747 bis 1750 ist Eugenius als „Inspector” der „Oeconomie in Aurith” nachzuweisen. Das Vorwerk Aurith wurde auch in jenen Jahren weiter als Erholungsort für die durch die ach so vielen Gebete vermeintlich gestressten Neuzeller Mönche ausgebaut. Abt Martinus Graf (1727-1741) hatte damit bereits begonnen. Wir lesen hierzu bei Mauermann „Doch auch außerhalb der Klostermauern und deren nächster Umgebung wollte dieser Prälat seinen Mitbrüdern einen angenehmen Aufenthalt bereiten, wenn sie, wie es im Stifte ein alter löblicher Gebrauch war, in seiner Gesellschaft auf einige Tage die Meyerhöfe [so hießen wohl die landwirtschaftlichen Betriebe] des Klosters zu ihrer Erholung besuchten. Er ließ daher unter Andern das Schlossgebäude, welches am Aurither Stiftsvorwerk auf der Lausitzer Grenze unmittelbar am Oderstrome liegt, zu einem solchen Aufenthalte, so viel sichs thun ließ, bequem einrichten, und dasselbe mit einem kleinen Thurme versehen.
Aus den Wohnungen dieses Gebäudes war auf dem Oderstrom, der lebhaften Schiffahrt wegen, immerwährend etwas Neues zu sehen; besonders aber konnten sich hier die Ordensgeistlichen Ober die regsame Betriebsamkeit ihrer Unterthanen, welche auf der anderen Seite des Stromes wohnten und zur Bestellung ihrer Aecker, welche auf der Lausitzer Seite lagen, ihr Vieh und andere Geräthschaften unaufhörlich über den Strom zu setzen, herzlich freuen und sich nach diesen kurzen Erholungsstunden für ihren Beruf neuerdings gestärkt fühlen.”
Von dem Schloss sind Ansichtskarten überliefert. Es handelte sich vom Grundriss her um einen quadratischen Bau mit Erdgeschoss und einem Obergeschoss und ist mit einem doppelten Walmdach versehen. Im unteren Teil des Daches erkennt man auf jeder Seite ein bogenförmiges Dachfenster. Zur Oderseite hin befand sich der Haupteingang, rechts und links davon erkennt man je ein Fenster. Das Obergeschoss hatte auf drei Seiten fünf Fenster und an der Nordseite einen großen Balkon sowie neben dessen Zugang vom Inneren des Hauses jeweils zwei Fenster. Das Gebäude stand in der Oderaue links des Flusses, auf einer kleinen Anhöhe gelegen. Man hatte damit einen schönen Blick auf die Oder und konnte dem oben von Mauermann beschriebenen Treiben auf der Oder tatsächlich gut zuschauen. Der ebenfalls oben erwähnte Turm ist nicht eindeutig auszumachen. Die Schilderung stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, das Bild dagegen aus der Zeit um 1900. Man erkennt auf dem Dach nördlich unmittelbar neben dem First zwar einen quadratische turmartigen Aufbau, bei dem es sich aber eher um einen der beiden Schornsteine gehandelt haben durfte. Von der räumlichen Innenausstattung des Hauses ist nichts überliefert.
Im Jahre 1853, vermutlich schon nach Abschluss der Separation 1846. war das Klosterland bei Aurith vom Stift wohl überwiegend aus wirtschaftlichen Gründen schon verpachtet worden. Für jenes Jahr wurde ein Pacht-Reinertrag von 400 Thalern in der Klosterkasse verbucht. Um 1879 verwaltet der Amtmann Petsch das Gut, offenbar noch für das Stift selbst. Von 1905 bis 1927 war W. Kleinau, Königlicher Oberamtmann, Pächter des Stiftgutes. Besitzer war immer noch das Stift Neuzelle. Aus jener Zeit erfahren wir auch erstmalig Daten über dessen Größe: Gesamtfläche 365 ha, Acker 213 ha, Wiesen 23 ha, Hütungswege 130 ha (vermutlich Oderdämme!).
Am 8. Juli 1927 verpachtete erstmals die Regierung zu Frankfurt/Oder für die Zeit vom 1. Juli 1928 bis zum 30. Juni 1946 selbst die Stiftsdomäne Aurith an den Oberamtmann Hans Zernikow und seine Ehefrau Hanna Zernikow aus Aurith. Die Eheleute hatten die Kinder Sabine und Albrecht Zernikow. Als Verwalter aus jener Zeit ist der in Polen geborene Herr Driller erwähnt. Verpachtet wurden insgesamt 367,29 ha. Mitverpachtet waren auch die Jagdrechte für dieses Gebiet. Durch den Pächter waren jährlich 7650 Mark für die Ländereien und die Immobilie und 258 Mark als Jagdpachtgeld zu entrichten. Dazu kamen jährliche Meliorationszinsen in Höhe von 1.435.60 Mark. Für eine Reichsmark waren 1/2790 kg Feingold zugrunde gelegt worden.
Der Pächter hatte zudem jährlich 4.947 Hektoliter Roggen an den Prediger in Matschdorf und zwar zu Michaelis [29. September jeden Jahres] in natura oder „nach dem Martini-Durchschnittsmarktpreis der Stadt Berlin in Bar” abzugeben.
Oberamtmann und späterer kommissarischer Regierungsrat Hans Zernickow, war ab 1933 Kreisausschussmitglied der Fraktion der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) im Kreistag Guben-Land. Nach dem 2. Weltkrieg war er nur noch für kurze Zeit in der Domäne Aurith tätig. So wurde am 10. Juli 1945 dem damaligen Ortsältesten Schütz in Ziltendorf vom Bürgermeister Schulz aus Fürstenberg mitgeteilt, dass Herr Zernikow zur Bewirtschaftung der Domäne wiedereingesetzt sei. Schon am 12. August 1945 wurde er verhaftet. Sein weiterer Verbleib ist unbekannt. Der alte Pachtvertrag wurde nicht mehr erneuert. 1945 hatten sich die Zeiten für die deutsche Bevölkerung rechts der Oder grundlegend verändert. Unter dem Datum 17. Januar 1946 wurden dann auch noch die Güter Ziltendorf (315,94 ha Acker u.a.) und Aurith (194 ha. Acker) auf Grund des Gesetzes zur Enteignung des Großgrundbesitzes enteignet und an 219 Familien landarmer Bauern, Kleinpächter und Umsiedler mit 602 Personen verteilt. 61% der so Begünstigten waren Einheimische. Der Rest von 39% waren Vertriebene aus Ostbrandenburg, also von rechts der Oder stammend. Nach dem damaligen Sprachgebrauch hätten die Akten hierbei von „Umsiedlern” sprechen müssen. Sie wurden aber ebenso unzutreffend als „Schlesier” bezeichnet.
Das Dorf (rechts der Oder – das heutige, polnische URAD)
Das Dorf Aurith hat seit Anbeginn seiner Existenz nie eine kontinuierliche Entwicklung nehmen können. Wie wir aus der Frühgeschichte erfahren haben, lag der Ort einst beiderseits der Oder und grenzte im Westen an Ziltendorf und Wiesenau (ursprünglich: Krebsjauche). Die Feldmark hatte diese Grenzen bis 1945. Durch offenbar enorme ökologische Veränderungen im frühen Mittelalter hatte sich das Flussbett der Oder bis an die östlichen Höhenzüge verlagert, dem die “Ureinwohner” folgen mussten. Aber auch unter stabilen Umweltverhältnissen in der jüngeren nachvollziehbaren Geschichte fand der Ort keine Ruhe. Sich immer wiederholende Umweltkatastrophen durch die launische Oder, Zerstörungen und Verwüstungen durch zwei Kriege und nicht zuletzt Seuchenzüge wirkten sich im wahrsten Sinne verheerend aus. Eigentlich erst nach der Brandkatastrophe von 1802 konnte das Dorf für genau 143 Jahre mit Ausnahme einer Cholera-Epidemie sowie eines erneuten Großbrandes 1395 sich zu dem gesunden Gemeinwesen entwickeln, wie wir es am Ende kannten. Das Jahr 1945 raubte dem Dorf erneut und leider endgültig seine letzte Identität.
Schon in einer sehr frühen Zeit finden wir Hinweise auf die örtliche Namenslandschaft. Nimmt man „Albrecht Jana, Schipper [Schiffer] genannth” aus dem Jahre 1570 und die „twe arme Elende lüde, Hans und Ciawes von dem Dorpe Vrat” die 1428 in Frankfurt „hangen” wurden, hinzu, so kennen wir aus Aurith insgesamt 16 namentlich bekannte Personen (siehe weiter hinten Abschnitt Aurither Zeidler). Es ist weiterhin festzustellen, dass die Aurither in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts bereits überwiegend Familiennamen hatten. Der bei den Zeidlern früh erwähnte Familienname Korßin begegnet uns auch 1718, 1802 und bei der Separation. 1945 gab es in Aurith den Familiennamen Korsing in der endgültigen Form noch immer. Weitere Familiennamen ließen sich allerdings nicht mehr nachweisen.
In einer Aufstellung über die in Frankfurt/Oder seit dem Ende des 16. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts zugewanderten Neubürger finden wir auch 11 Aurither: Jacob Minagk – Hosenstricker (9. Februar 1604), Paul Drescher – Tagelöhner (6. März 1611), Paul Herke – Tagelöhner (28. August 1615), Hans Stange – Tagelöhner (16. September 1615), Merten Grünebergk – Tagelöhner (3. Dezember 1618), Elias Schickelt – Tagelöhner (3. Mai 1628), George Lettagk – Kahnführer (30. September 1628), Michael Hercke (16. Februar 1632), Gürgen Gubelt_(21. Februar 1635), Hanß Purbß – Schuster
Aurith 1945
Am 2. Februar 1945 erreichten die ersten russischen Panzer die Aurither Brücke. Aurith interessierte sie zunächst nicht, sondern eher der Weg über Ziebingen zur Oderbrücke bei Kloppitz. Das Ende ist ausführlich in der Dorfchronik beschrieben. Das Ganze lief in einem Schema ab, wie in den anderen Dörfern der gesamten Oderregion, so auch in den anderen Kapiteln dieses Bandes- Seit Weihnachten nicht enden wollende Flüchtlingstrecks mit Übernachtungen rechts der Oder, Flucht von Ortsbewohnern in letzter Minute über die Oder, Misshandlung daheim gebliebener Landsleute nach dem Einmarsch der Russen, zahlreiche Verzweiflungstaten bis hin zum Selbstmord, Vertreibung aller Zivilisten aus dem Frontgebiet nach Osten; während der Trecks Gefangennahme arbeitsfähiger oder arbeitsfähig erscheinender Männer und Jugendlicher ab 15 Jahren zur Verbringung nach Russland zur Zwangsarbeit. Die Trecks gingen im Prinzip alle in dieselbe Richtung über Sandow. Heidenau, Döbbernitz. Pleiskehammer und von hier weiter in Richtung Landsberg-Schwiebus oder Sternberg-Lagow. Die Heimkehr der noch verbliebenen Frauen. Kinder und alten Leute erfolgte nach der deutschen Kapitulation am 8. April 1945. Aber auch viele der vorher über die Oder geflohenen Landsleute zog es im Frühjahr 1945 wieder nach Aurith. Der Irrglaube, zu den Ersten zu gehören, die heimkehrten, war der unerschütterliche Antrieb. Als letzte Tragödie folgte schließlich die endgültige Vertreibung aller Aurither im Frühsommer 1945 durch die polnischen Machthaber mit all ihren begleitenden Grausamkeiten. Dies alles hat Gerhard Birkenfeld mit seinen Mitarbeitern ausführlich dokumentiert. Aus allen anderen Dörfern unseres Landstriches, die wir beschrieben haben, liegen ähnliche ausführliche Zeitzeugenberichte vor, die in unseren Büchern nachgelesen werden können. Auch diese Thematik ist ein wichtiger Bestandteil der gesamten Flüchtlings- und Vertriebenenliteratur. Das nunmehr polnische Dorf Urad wurde der Gemeinde Cybinka zugeordnet.
Der deutsche Dorfname Aurith am linken Oderufer wird bis auf den heutigen Tag als Ortsteilbezeichnung der Gemeinde Ziltendorf für das ehemalige Vorwerk Aurith fortgeführt. (-a-)
Ernst-Thälmann-Siedlung
Der dorfähnliche Ausbau liegt knapp 2,5 km vom westlichen Niederungsrand entfernt in der flachen Oderaue. Die kürzeste Verbindung zur F 112 stellt die sogenannte Milchbahn, ein Pflasterweg, dar.
Bis 1945 führte hier eine Schmalspurbahn entlang, auf der man in Loren, die von Pferden gezogen wurden, Milch und andere landwirtschaftliche Produkte zum Ziltendorfer Bahnhof transportierte.
Heute ist der Ausbau auch über Bitumenstraßen zu erreichen. Die Siedlung wurde bald nach 1840 als Neuzeller Domänenvorwerk gegründet.
Die Stiftsherrschaft war in jenem Jahr für die Ablösung der Dienste und Abgaben von den bäuerlichen Wirten Ziltendorfs durch Grundstücke in der Oderniederung entschädigt worden und bewirtschaftete nach Ausführung der Separation etwa 2000 Morgen fruchtbaren Auenbodens.
Inmitten seines Grundbesitzes legte das Stift neue Wirtschaftsgebäude an. Im Jahre 1929 verfügte die 521 ha große Domäne Ziltendorf über eine Brennerei, die ebenso wie eine Rübendarre schon 1914 erwähnt ist, ausgedehnte Weidenkulturen und Herdbuchvieh (Ostfriesisches Warmblutpferd).
Ein Teil des Gutslandes wurde bei der Bodenreform an Umsiedler verteilt, die über 50 Neubauernstellen mit den typischen, inzwischen vielfach modernisierten Wohn-Stall-Häusern errichteten und der neuen Siedlung den Namen des Arbeiterführers ERNST THÄLMANN gaben.
Während die Gebäude des Gutshofes nach 1945 abgetragen wurden, sind einige Gutsarbeiter-Wohnhäuser vom Anfang des Jahrhunderts erhalten.
Heute gibt es hier einen Kindergarten, eine Konsumverkaufsstelle sowie eine kleine Gaststätte. Die Schulkinder fahren mit dem Bus zur Oberschule Ziltendorf.
Am Rand der Siedlung liegen wirtschaftliche Einrichtungen der LPG . (-b-)Errungenschaften des Sozialismus wie Kindergarten, Konsumverkaufsstelle und Gaststätte sind inzwischen dem Rotstift des Kapitalismus zum Opfer gefallen. Die Vorschulkinder werden in die Kita nach Ziltendorf gebracht, zum Einkaufen muß man ebenfalls nach Ziltendorf fahren und dem Durstigen bleibt dort ein Getränkestützpunkt vorbehalten, da selbst in Ziltendorf keine Gaststätte mehr überlebt hat.
Jedoch hat sich die Anbindung an die heutige Kreisstraße 6758 (vormals Bundesstraße 112) verbessert, da das einstige Kopfsteinpflaster der Milchbahn, nach der Oderflut 1997, einer Asphaltdecke gewichen ist. (-1-)
Quellen:
(-a-) Gerhard Jaeschke, Manfred Schieche “Ziebingen und Umgebung- der wendische Winkel im Sternberger Land, Band III”
Books on Demand GmbH, Norderstedt, 2008 – ISBN 987-3-8370-4826-1
(-b-) Klaus-Dieter Gansleweit “Werte unserer Heimat, Band 45 – Eisenhüttenstadt und seine Umgebung”
Akademie-Verlag Berlin 1986
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