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Nicht alle wollen feiern In der Ziltendorfer Niederung ist die Stimmung nach wie vor geteilt

Im Ausstellungsraum des sanierten Schöpfwerkes von Brieskow-Finkenheerd hängt über der ausrangierten Pumpe eine wahre Galerie aus Sisal- und Kunstfaser-Säcken. Die Aufschriften verraten, was diese Verpackungen ursprünglich einmal enthielten: Kaffeebohnen, Kartoffeln, Zucker. Im Sommer 1997 jedoch wurden die Säcke umfunktioniert – mit Sand gefüllt sollten sie das Oderhochwasser aufhalten.

In der Ziltendorfer Niederung waren diese Bemühungen letztlich vergebens. Am 23. Juli 1997 brach der Deich bei Brieskow-Finkenheerd, 300 000 Liter Wasser pro Sekunde ergossen sich wie in eine riesige Badewanne, ein weiterer Deichbruch einen Tag später bei Aurith besiegelte das Schicksal des Gebietes zwischen Frankfurt und Eisenhüttenstadt. 252 Häuser und Gehöfte standen unter Wasser, 416 Familien verloren zum Großteil Hab und Gut. Auch das Schöpfwerk Brieskow-Finkenheerd soff regelrecht ab. Normalerweise für die Entwässerung der 5500 Hektar großen Niederung hinter den Oderdeichen zuständig, versagte es seinen Dienst, so dass das Wasser erst nach Wochen wieder ins eigentliche Flussbett zurückkehrte.

Zehn Jahre später gießt es wieder wie aus Kannen. „Wasser gehört eben dazu, wenn wir uns an die Flut erinnern“, sagte der Ziltendorfer Bürgermeister Rainer Vierling am vergangenen Samstag mit einem Anflug von Galgenhumor. Gemeinsam mit Helfern war auf dem neu gestalteten Dorfplatz der Thälmann-Siedlung der dramatischen Ereignisse von 1997 gedacht worden. Schließlich sei die Niederung vor allem durch Solidaritäts- und Spendenwelle „viel schöner geworden“, so Vierling. Fast alle Straßen sind asphaltiert, unbefestigte Dorfplätze gepflastert und begrünt. Ganz zu schweigen von den privaten Anwesen der Bewohner, deren Flut-Schäden zu 90 Prozent reguliert wurden.

Doch fröhliche Stimmung und Wiedersehens-Freude, wie auf dem zeitgleich im Oderbruchdorf Neuranft stattfindenden Festakt des Landes wollte im einstigen Katastrophengebiet nicht aufkommen. „Bei denen hielten ja die Deiche“, knurrte ein Anwohner, der nach einem Blick ins halbleere Festzelt wieder hinter seinem Gartentor in der Thälmann-Siedlung verschwand. „Wir werden die schlimme Zeit jedoch nie vergessen, müssen aber nicht stets daran erinnert werden“, fügte seine Frau schnell noch hinzu. Am Bierwagen auf dem Dorfplatz wurde indes das Gerücht von der Opferung der Ziltendorfer Niederung zugunsten Frankfurts und des Oderbruchs wieder aufgewärmt.

„Klar, wir sind nachts mit Schubkarre und Schaufel angerückt, um hier den Deich kaputt zu machen“, ärgerte sich Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes. Auf Einladung der Amtsverwaltung Brieskow-Finkenheerd war er anlässlich des Jubiläums in die Ziltendorfer Niederung gekommen. Freude stand im strömenden Regen auf dem neugebauten Deich, wo vor zehn Jahren die Katastrophe begann. Der Damm habe hier einfach nicht halten können, erläuterte Freude. „Der Untergrund bestand aus einer glatten Tonschicht. Als die Erdmassen weggerutscht waren, hätte man hier Schlittschuh laufen können.“ Nun sei die Niederung aber mit den modernsten Deichanlagen Europas sicherer als je zuvor.

Einer der wenigen, der sich über das Erreichte freuen konnte, ist Werner Reincke, Chef der Bauerngesellschaft Ziltendorfer Niederung. Auch die Ernte auf den mehreren Tausend Hektar Ackerfläche wurde damals Opfer der Flut. „Während im Oderbruch die Mähdrescher auf vollen Touren liefen, hatten wir damit zu tun, unser Vieh aus dee Gefahrenzone zu holen“, erinnerte er sich ohne Groll. Die Bilder der durch Hubschrauber aufgeschreckten Kuhherde machte die Bauerngesellschaft bundesweit bekannt. „Wir haben diese Mutterkühe alle retten können“, so Reincke. Lediglich vier wildgewordene Bullen ließen sich nicht mehr einfangen und mussten von Jägern erschossen werden, bevor sie ertranken.

Gern verweist Reincke auf die heute 4250 Hektar Acker- und Grünland, die modernen Ställe und Koppeln mit 1200 Milchkühen sowie 2000 Rindern. Stolz führt er Besucher zur neuen Biogasanlage, spricht über die 70 Arbeitsplätze der Bauerngesellschaft, die trotz der Flut erhalten werden konnten. Nicht alles sei den großzügigen Spenden zu verdanken, betonte Reincke, 8,5 Millionen Euro habe die Bauerngesellschaft aus eigener Kraft investiert. „Doch die große Hilfsbereitschaft hat uns ermutigt, weiterzumachen“, so der Landwirt.

JEANETTE BEDERKE

MÄRKISCHE ALLGEMEINE 30. Juli 2007

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